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the others are we : interview

“the others are we” : video composite portrait of a city

Interview with the German artist Florian Tuercke during the exhibition “the others are we” at con[SPACE] video gallery, Atelierfrankfurt, Frankfurt/Main, Germany. For the exhibition, the artist produced a composite video portrait of faces from Frankfurt and other European cities. Exhibition curated by Michaela Filla Raquin and Raul Gschrey, interview conducted and produced by Raul Gschrey. Additional material by Florian Tuercke, Nicholas Singleton & Raul Gschrey. Historical photographic material by Francis Galton, Special Collections, University College London. www. conspace.wordpress.com : www.gschrey.org : www.floriantuercke.net

Künstlerisches und wissenschaftliches Forschen

Interview von Raul Gschrey mit Michaela Filla im BiG (Büro für interdisziplinäre Gesprächskultur) im ATELIERFRANKFURT. Das komplette, bebilderte Interview zu künstlerischem und wissenschaftlichem Forschen und zu Räumen der Gegenwartskunst in Frankfurt, sowie der aktuellen Ausstellung im Atelierfrankfurt gibt es auf Pudding Explosion.

Michaela: Raul, Du bist Künsler, Lehrer und Forscher und arbeitest zur Zeit an Deiner Promotion zum Thema “Composite & Eigenface: Histories and Continuities of Human Measurement between Arts and Science” und beschäftigst Dich besonders mit der Technik der Kompositfotografie. Was genau beutet Kompositfotografie und warum beschäftigst Du Dich damit?

Raul: Also die Kompositfotografie ist eine ganz merkwürdige fotografische Technik. Sie wurde Ende des 19. Jahrhundert von dem viktorianischen Wissenschaftler Francis Galton entwickelt. Durch die Überblendung von menschlichen Gesichtern versuchte Galton auf visuelle Spezifikationen zu schließen und darüber Typisierungen herzustellen. Er ging davon aus, dass sich durch diese Technik zeigen lässt, wie zum Beispiel der typische Verbrecher oder ein gesunder Soldat des damaligen Empire aussieht. Dahinter liegt natürlich die Idee, von äußerlichen Charakteristika auf innere Dispositionen schließen zu können, d.h. anhand der Größe von Nase, Augen, Mund usw. psychische Probleme oder kriminelle Eigenschaften zu erkennen. Galtons Kompositfotografie bezieht sich auf ältere physiognomische Konzepte, als man die Maße und Proportionen vom menschlichen Kopf bzw. Gesicht nahm, um anhand dieser auf Charaktereigenschaften zu schließen. Galton gilt übrigens heute als Begründer der Eugenik, also einer Vererbungspolitik die darauf abzielte, den Anteil positiv bzw. negativ bewerteter Erbanlagen zu vergrößern bzw. zu verringern. Seine Theorien wurden später zum Bezugspunkt nationalsozialistischer Rassenlehre.

Was mich besonders an der Technik interessiert, ist, dass sie zu Beginn der Fotografie entstand. 1870 war die Fotografie ein junges Medium im Findungsprozess und bewegte zwischen einer mechanischen, objektiv-wissenschaftlichen Darstellung der Realität und künstlerisch kreativen Ansätzen, bei denen es eher darum ging Stimmungen auszudrücken. Kompositfotografien, die zur vermeintlich wissenschaftlichen Analyse eingesetzt wurden, tatsächlich aber eher wie Geisterbilder aussahen, lagen irgendwo dazwischen. Künstlerisches und wissenschaftliches Forschen weiterlesen